Polarlicht in der Nacht vom 7. zum 8. September

Schon am Samstagnachmittag gab es "Polarlichtalarm". Die Schockfront eines CME war zur allerbesten Zeit (16 Uhr UTC, 18 Uhr MESZ) an der Erde eingetroffen. Der Wetterbericht versprach nicht allzuviele Wolken, vielleicht gab es also endlich mal wieder Polarlichter auch über Deutschland zu sehen. Mehrfach wurden die Daten im Internet geprüft. Ja, es könnte was werden. Die Bz-Komponente war schon länger negativ, die Magnetometer zeigten alle gute Ausschläge. Es tut sich was! Aber wir haben heute abend Besuch, muß man sich nicht auch um seine Gäste kümmern?

Ein früher Blick auf den Abendhimmel zeigte, dass die Wolken sich tatsächlich verzogen. Aber würde die Stärke des CME wirklich ausreichen, das Polarlichtoval bis auf unsere Breiten herunter zudrücken? Bald nach 21 Uhr klingelte das Handy, die erste Sichtungsmeldung traf ein: "Polarlicht bei Bad Wildungen!". Jetzt aber wirklich raus und schnell zu einer einigermaßen dunklen Stelle mit guter Aussicht nach Norden gefahren. Mein Besuch hat keine andere Wahl: Er muß mit!

Wir fahren zur "Benhauser Kurve" der Deutschen Bundesbahn. Von dort hat man wenigstens einen schönen Überblick über das nächtliche Bad Lippspringe, denke ich mir. Wenn kein Polarlicht zu sehen ist, wird dieser Anblick meinem Besuch trotzdem zufrieden stellen.

Oben am Bahndamm stelle ich gleich ein Stativ mit Kamera auf und wir schauen Richtung Norden, die Lichter der Stadt sind zu dieser Zeit natürlich alle an, aber doch einigermaßen weit entfernt, so dass am Himmel auch schon viele Sterne zu sehen sind. Es ist jetzt ca. 21.45 Uhr. Ein erster Blick auf die große Bärin (ja, Ursa Major wird tatsächlich so übersetzt!), also den großen Wagen läßt uns dort einen helleren Streifen erkennen.

Aber dieser Streifen ist sicherlich kein Polarlicht, dass sind eher Reste eines Kondensstreifen von einem Flugzeug. Mein Besucher meint, kann das nicht die "Milchstraße" sein? Ich zeige ihm die richtige Milchstraße von Cassiopeia über den Schwan zum Adler in unserem Rücken (Richtung Süden). Aber der Nordhimmel erscheint mir doch irgendwie heller zu sein als sonst. Doch ist das vielleicht nur Streulicht von der Stadt? Kaum Wolken, aber es ist feucht und dunstig. Die Grenzgröße liegt 3.5mag (in der kleinen Bärin geprüft). Doch allmählich gewöhnen sich die Augen auch besser an die Dunkelheit.

Und was ist das? Schwankt da nicht doch im Norden die Helligkeit? Gehen da nicht irgendwie weißliche Strahlen hoch? Da ist doch irgendwie Bewegung drin! Mich erinnert das ganze durchaus ein bißchen an den Anfang des letzten schönen Polarlichts, was ich von hier am 11.April 2001 gesehen habe. Damals war die Helligkeit im Norden jedoch wesentlich intensiver. Plötzlich macht mich mein Besucher auf ein kleines Feuerwerk im Ort aufmerksam. Ich mache schnell ein weiteres Photo. Wenn schon nicht "richtig" Polarlicht, dann wenigstens "Feuerwerk". Obwohl ich schon innerlich lachen muß, denn das ist für mein 50mm Objektiv doch viel zu weit weg. Aber ich will ja auch eigentlich ein Polarlichtphoto haben! Also den Horizont nur knapp einblenden, Hauptsache viel Himmel mit auf dem Photo.

Und ich staune, als ich das Bild eine knappe Woche später von der Filmentwicklung abhole: da sind doch tatsächlich gut die Farben des Polarlichts zu erkennen. Die ersten zehn Grad vom Horizont aus schimmert es grünlich und darüber kann man einen rötlichen Schimmer erkennen. Der Turm mit den roten Signalleuchten ist übrigens der Radiosender "Bielstein" des Westdeutschen Rundfunks ganz in der Nähe vom Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald. Von mir aus gut 20 Kilometer Luftlinie entfernt. Der Mast markiert vom Beobachtungsstandpunkt aus gesehen fast exakt die Nordrichtung. Und das Feuerwerk? Wenn man genau hinschaut, sind rechts unterhalb des Turmes kurze Leuchtspuren von abgeschossenen Raketen zu erkennen. Wahrscheinlich war es jetzt gerade 22 Uhr.

Und wo man ein Bild macht, darf ein zweites nicht fehlen. Ja - und tatsächlich! Hier ist das Polarlicht noch viel besser zu erkennen. Etwas links vom Turm kann man jetzt deutlich einen roten Streifen erkennen. Zugegeben, für diese Darstellung habe ich den Kontrast angehoben. Der photografische Eindruck ist aber auch ohne diese nachträgliche elektronische Verstärkung deutlich kräftiger als der visuelle. Ein 400 ASA Film ist bei ca. 40 sec Belichtungszeit - so in etwa wurden alle Bilder dieser Seite belichtet - doch deutlich empfindlicher als das menschliche Auge. Visuell habe ich diese rötlichen Streifen nur als schwache, eher farblose oder weißliche Aufhellungen wahrgenommen.

Dann bringe ich erstmal wieder den Besuch nach Hause - er hat dies Polarlicht nicht gesehen. Visuell habe ich es, da ich ja schon früher eindrucksvollere Polarlichter gesehen habe, erahnt, dass es heute abend sicherlich Polarlicht war. Und die Photos snd jetzt sicherlich ein richtiger Beweis!

Zu Hause checke ich dann schnell das Polarlichtforum, viele Beobachter haben nichts erkennen können, mehrere andere berichten jedoch ebenfalls von schwachen Sichtungen zu dieser Zeit. Dies bestärkt mich, in der gleichen Nacht noch einmal rauszufahren. Mein Besucher ist jetzt schon schlafen gegangen. Leider ziehen - gerdae in Nordrichtung - immer mehr Wolken auf. Trotzdem bleibt es dort auffallend hell. Zwischendurch (ca. 0.30) meine ich einmal Wetterleuchten wahrzunehmen. Können sich diese Sch...wolken nicht mal verziehen? Endlich mal eine eigentlich schöne Nacht. Nicht so kalt und am nächsten morgen muss ich auch nicht gleich raus. Ich fahre zu verschiedenenn Standorten. Doch leider ist es nicht noch einmal so intensiv. Um ca. 1 Uhr ist die große Bärin auf ihre tiefste Stellung im Norden gesunken. Auf dem nächsten Foto kann man erkennen, dass die beiden hinteren "Wagenkastensterne", welche den Weg zum Polarstern markieren, fast senkrect über dem Bielstein-Sender stehen. Ein wenig schimmert das Polarlicht noch auf dem Foto.

Irgendwann nach 1.30 Uhr geht es dann wieder nach Hause. Noch einmal an den Computer gesetzt. Im Polarlichtforum die Berichte anderer Beobachter gelesen. Die letzten Zweifel, ob man nicht doch einer Sinnestäuschung aufgesessen ist oder man sich das alles nur eingebildet hat, weil man es ja sehen wollte, schwinden mit der Zeit. Dann schnell noch einen eigenen ersten Bericht geschrieben. Und irgendwann müde, aber doch zufrieden, zur Lieben unter die Decke gekuschelt. - Tja, und dann doch vielleicht das Beste verpasst! Denn nach 3.30 Uhr ging die Polarlichtshow noch einmal richtig los. Oder war es zu dieser Uhrzeit im Bett vielleicht doch schöner?

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